Zielgruppe und Indikation

Das Angebot richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 16 bis 21 Jahren, welche aufgrund sozialer Benachteiligungen oder individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind und einer besonderen Förderung bedürfen. Mit Hilfe einer sozialpädagogischen Begleitung werden die soziale Integration und die Persönlichkeitsentwicklung, das Erreichen eines Schulabschlusses sowie der Einstieg in die berufliche Arbeitswelt angestrebt. In Einzelfällen werden auch jüngere oder ältere Teilnehmer aufgenommen. 
Es handelt sich um Teilnehmer, bei denen folgende Themen im Vordergrund stehen: 

  • Defizitäre Sozialisation bzw. Integration in den Bereichen Familie, Schule, Ausbildung, Berufsleben und sonstiger Umwelt
  • Persönliche und berufliche Orientierungslosigkeit
  • Kein oder schlechter Schulabschluss
  • Familiäre Spannungen, Beziehungsabbrüche, Vertrauensverlust
  • Massive Brüche in der Biographie (bspw. Zuwanderung)
  • Negative Beeinflussung im sozialen Umfeld
  • Benachteiligungen durch die ökonomische Situation, familiäre Rahmenbedingungen und defizitäre Bildung
  • Pessimistisches Selbstgefühl, Versagenserfahrungen
  • Suchtprobleme
  • Motivationsverlust
  • Defizite in Kulturtechniken
  • Überschuldung
  • Intellektuelle Einschränkungen
  • Lernschwächen, -störungen, -beeinträchtigungen
  • Psychische Traumata
  • Mangel an Kommunikations- und Ausdrucksfähigkeit
  • Schwach ausgeprägte soziale Kompetenzen
  • Neigung zu delinquentem Verhalten
  • Von Haftstrafen bedroht oder bereits Erfahrungen im Strafvollzug
  • Perspektivlosigkeit
  • Häufig mit anderen Projekten schwer erreichbar 

Es richtet sich an Jugendliche, die ohne eine besondere Unterstützung keinen Zugang zur Arbeitswelt finden und ihre berufliche wie gesellschaftliche Eingliederung alleine nicht schaffen. Die grundlegenden Defizite der Teilnehmer*Innen sind eine kontinuierliche defizitäre Entwicklung (Verwahrlosung) und Überforderung in der familiären Pädagogik, im emotionalen, schulischen und gesellschaftlichen Bereich. Unsere handlungsorientierte Arbeit wirkt sich stabilisierend auf die Teilnehmer aus. Die stetige Begleitung wirkt den Problemlagen entgegen, sodass die Teilnehmer Selbstachtung und Orientierung gewinnen, Ziele und Perspektiven sowie Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit entwickeln.  

Die Lebensumstände der Teilnehmer*Innen sind von starken emotionalen und strukturellen Defiziten geprägt. Zerbrochenen Familien, Kontaktlosigkeit, gesellschaftlicher Misserfolg u. ä. Der einzige Gemeinschaftsbezug besteht zu Gleichgesinnten. Durch die dezidierte Auswahl der Jugendlichen wird eine solche Gemeinschaft in dem Projekt hergestellt. Wir „holen“ die Lebensumstände in unser Projekt und können so vor Ort an den Themen der Teilnehmer arbeiten. 

 

 

Betreuungsform

Das Angebot beinhaltet einen konsequent individualisierten und ganzheitlichen Ansatz, um einen Zugang zu den multiplen Problemstrukturen der einzelnen Jugendlichen zu bekommen. Durch den systemischen Ansatz finden im selben Rahmen viele Einzel- und Familiengespräche statt. Das pädagogische Konzept beruht auf der konfrontativen Pädagogik von Jens Weidner, wobei hier nur Teile des Konzepts angewendet werden. Die verlässliche Tagesstruktur, 9:00 bis 14:00 Uhr, beinhaltet eine individuelle lebenspraktische, schulische und berufliche Orientierung sowie die konkrete Vermittlung von Unterrichtseinheiten zur Vorbereitung auf die externe Nichtschülerprüfung. Die Mitarbeiter vor Ort bereiten die Teilnehmer vor, begleiten die Anmeldung und unterstützen bei der Durchführung (Begleitung zu den Prüfungen) der Nichtschülerprüfung. Wesentlich ist hinsichtlich der Tagesstruktur zu benennen, dass die verlässliche und kontinuierliche Tagesstruktur i.d.R. nicht zu Beginn gegeben ist, sondern mit den einzelnen Jugendlichen und jungen Erwachsenen erarbeitet werden muss. Häufig ist die Zielgruppe längerer Zeit keiner Tagesstruktur nachgegangen und muss an eine geregelte Alltagsstruktur herangeführt werden. Neben der Projektzeit in den Räumlichkeiten finden auswärtige Termine z.B. bei der Herkunftsfamilie, in stationären Einrichtungen, bei Gerichtsterminen, Praktikumsbetrieben etc. statt. 
Um die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu erreichen, zu begleiten und zu unterstützen basiert unser Arbeitsschwerpunkt auf drei Bereichen:

  • "Work" (Schul- und Arbeitsbereich)
  • "Box" (Sportangebot)
  • Einzelfallhilfe 

Work (Schul- und Arbeitsbereich)

Auf der Grundlage einer persönlichen und sozialen Stabilisierung erfolgt die Beschäftigung mit schulischen Inhalten, auf dessen Grundlage ein Schulabschluss angestrebt werden soll; Darüber hinaus wird auf die berufliche Orientierung, aber auch die berufliche Vorbereitung der Teilnehmer und damit das Erlangen von Ausbildungsreife bzw. Arbeitsfähigkeit sowie die Vermittlung in Arbeitsprozesse fokussiert. 

Wesentliche Bestandteile des Projektes sind Aktivitäten zu:

  • Vorbereitung auf die Nichtschülerprüfung o Vermittlung von Unterrichtsinhalten, Unterstützung beim Erlangen von Schulabschlüssen, Schließen von spezifischen Wissenslücken, Erwerb von Basisfertigkeiten
  • Berufsorientierung
  • Berufsvorbereitung
  • Erprobung in der Praxis
  • Aufnahme von Ausbildung
  • Nachhaltige Integration 

Schule bedeutet in erster Linie die Feststellung und Stärkung der bis dahin erworbenen und vorhandenen Kompetenzen. Grundrechenarten werden wiederholt, geübt, teilweise erlernt, ebenso das Lesen und Schreiben. Darauf aufbauend wird in individuellen Lerneinheiten der Inhalt vermittelt, gelernt und wiederholt, der den erfolgreichen Schulabschluss ermöglicht. Nach den Misserfolgen in ihrer schulischen Laufbahn halten die meisten Jugendlichen es für unmöglich, gut genug für Prüfungen zu sein. Anhand alter Prüfungsunterlagen bekommen die Jugendlichen ein Gefühl für die Anforderungen der Prüfungen und lernen ihren Leistungs- und Wissensstand besser einzuschätzen. Es werden Themen für die mündlichen Prüfungen ausgewählt und erarbeitet. Das freie Sprechen, das Halten von kurzen Vorträgen wird im Eins-zu-Eins-setting und in Gruppensituationen geprobt. Schulbücher, Onlineplattformen und Apps helfen bei der möglichst vielfältigen Erarbeitung schulischer Inhalte. Für die Jugendlichen geht es in der Regel im ersten Schritt um den Erwerb des BBR und darauf aufbauend um den eBBR und MSA. Die Zusammenarbeit mit der zuständigen Schule wird, bei den noch schulpflichtigen Jugendlichen, angestrebt. Dabei geht es um den Erhalt von Schulbüchern und Schulmaterial, aber auch um den Zugang zu Lernplattformen, Austausch mit Klassenlehrern und eine mögliche Reintegration in die Schule. In Vorbereitung zur Anmeldung für die externe Nichtschülerprüfung werden die Jugendlichen dabei unterstützt ihre notwendigen Abgangs- und Schulzeugnisse zu erhalten, der Kontakt zu ehemaligen Schulen wird aufgenommen und persönliche Dokumente beantragt (z.B. der Personalausweis). Zu den schriftlichen und mündlichen Prüfungen werden die Jugendlichen vom Anfang bis zum Ende begleitet. 
 
Die Berufsorientierung hilft Jugendlichen, welche aufgrund persönlicher Reife, einem wenig förderlichen sozialen Umfeld und negativer Lernerfahrungen noch keine berufliche Orientierung entwickelt haben bzw. Interessengebiete aufdecken konnten. Die Jugendlichen werden dabei unterstützt, ihre Kompetenzen, Stärken und Ressourcen zu erkennen und ggfls. zu entsprechenden Testungen bei der Jugendberufsagentur / Agentur für Arbeit begleitet. In Einzel- und Gruppengesprächen werden realistische Berufswege- und Lebensplanungen thematisiert. Im Vordergrund steht erst einmal grundsätzlich das genaue, ordentliche und ausdauernde Arbeiten zu lernen. Mit einfachen Arbeiten werden Grundlagen des Arbeits- und Berufslebens sowie Grundkenntnisse und -fertigkeiten, bezogen auf entsprechende Berufsfelder, vermittelt. Die berufliche Orientierung findet in der Anfangsphase in der internen Werkstatt statt, hier werden die ersten handwerklichen Grundlagen erprobt. In der Orientierungsphase können auch Kurzpraktika stattfinden. In den Schulungsräumen werden Bewerbungsgespräche mit den Jugendlichen thematisiert und eingeübt.
 
Die Berufsvorbereitung hat das Ziel, die Jugendlichen, welche die dafür notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse mitbringen oder im Projekt entwickeln und festigen konnten, in eine Beschäftigung zu vermitteln bzw. die Jugendlichen zur beruflichen Eingliederung zu qualifizieren. In ersten „externen“ Erfahrungen können sich die Jugendlichen in Betriebspraktika in verschiedenen Bereichen ausprobieren. In den Betrieben sollen die Jugendlichen die in der Vorbereitung entdeckten und gewonnenen Fähigkeiten und Schlüsselqualifikationen ausbauen und weiterentwickeln, aber auch spezifische berufsfeldbezogene Kompetenzen entwickeln. Die Jugendlichen werden dabei aktiv in die Akquise von geeigneten Betrieben bzgl. Praktika eingebunden. In diesen Berufsbereichen können Basisfertigkeiten erworben werden. Die Teilnehmer werden durch eine enge Anbindung an die Sozialpädagogen begleitet. 

Box (Sportangebot) 
"Box" steht für die methodische Herangehensweise an das Boxen. Die Sozialpädagogen werden entsprechend der bestehenden Work & Box Companies und deren langjähriger Erfahrung in Taufkirchen geschult und prozesshaft begleitet. Es geht dabei nicht um eine technische Perfektion des Boxsportes, sondern um die Kontaktaufnahme zu den Jugendlichen durch das Boxen. Durch diese Kontakt- und Herangehensweise wird ein direkter Bezug zum sozialen und beruflichen Alltag des Jugendlichen hergestellt. Am Anfang kann sich ein Jugendlicher durch das Boxen zeigen, d. h. sein Charakter und seine Ängste werden durch sein Verhalten beim Boxen sichtbar. Dann kann jeder an sich arbeiten und in ungewohnten und schwierigen Übungen, die Stress erzeugen, neue Verhaltensweisen im Boxring erstmals einüben. In den Krisen muss sich der Jugendliche beweisen. Er soll lernen, in jeder Situation einen klaren Kopf zu behalten. Die Veränderung ist im Boxring direkt sichtbar. Danach kann man analog die neuen Verhaltensmuster im Leben umsetzen. Dadurch erweitert Boxen die Sozial- und Handlungskompetenz der Jugendlichen. Sie sind in der Lage, in Konflikten und Krisen durch neu erlernte Verhaltens- und Handlungsoptionen gesellschaftlich adäquat zu agieren und zu reagieren. Durch die besonders auffällige Zielgruppe ist eine intensive sozialpädagogische und therapeutische Betreuung, mit dem Schwerpunkt Aggressionsbewältigung, notwendig. Hinzu kommen die körpertherapeutischen Aspekte des Boxens, die der Auseinandersetzung mit der individuellen Gewaltproblematik der Jugendlichen dienen. Hierbei ist das Boxen Mittel zum Zweck. Parallel zur Arbeit können im Boxring u. a. folgende Themen bearbeitet werden: Achtsamkeit, Respekt, Selbstkontrolle, Niederlage, Angst, Kultivierung der persönlichen Kraft. 

Einzelfallhilfe 
Um die Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei ihrer Problembewältigung zu begleiten, ist häufig auch die Einzelfallhilfe erforderlich. Elternarbeit, Sozial- und Konfliktberatung in Einzelgesprächen, Beratung und Unterstützung bei schulischen Angelegenheiten und der Suche nach Ausbildungsplätzen, Hilfe bei der Wohnungssuche oder der Unterbringung im betreuten Wohnen, Begleitung bei Gerichtsverhandlungen, Aufrechterhaltung der Kontakte bei eventuellen Haftstrafen, Hilfe bei Bewerbungsschreiben u.v.m. Aufgrund negativer, zumeist unverarbeiteter Vergangenheitserlebnisse steht jeder Jugendliche vor schwer zu überwindenden Hürden, welche seine möglichen Ziele blockieren. Deshalb gilt es, gemeinsam mit den Teilnehmer*Innen an ihrer Vergangenheit zu arbeiten bzw. mit dieser in Auseinandersetzung zu gehen. Damit werden Konflikte zur Bearbeitung freigelegt, Hürden abgebaut und ganz neue Perspektiven für den Einzelnen zum Entstehen gebracht. Notwendig hierfür ist ein tiefes Verständnis des Jugendlichen in seiner spezifischen Lage. Mit Vorwürfen und gut gemeinten Ratschlägen können die Teilnehmer*Innen nicht umgehen. Grundlage der Arbeit bildet ein intensiver Kontakt zu den Jugendlichen, welcher bestimmt ist durch eine respektvolle Haltung und Vertrauen; die Umgebung des Jugendlichen (Eltern, Freunde, Betreuer, Richter, Praktikumsbetrieb usw.) ist auf dieser Basis prinzipiell einbezogen. Die so entstandene Motivation des Teilnehmers soll täglich in konkrete Handlungen umgesetzt und gefestigt werden. 
Dadurch ergeben sich weitere Ziele wie:

  • Erkennen der eigenen Stärken und Schwächen, realistische Selbsteinschätzung
  • Erarbeiten von sozialen Perspektiven
  • Gestalten und Umsetzen von tragfähigen Lebensumständen
  • Krisenmanagement
  • Erarbeiten von persönlichen Perspektiven
  • Erlangung von Ausbildungsreife
  • Erweiterung des individuellen Handlungsrepertoires
  • Erarbeitung und Umsetzung einer beruflichen Perspektive
  • Reflektierter Umgang mit Drogen 

Projektablauf

In den ersten Wochen sehen die Jugendlichen das Projekt als Chance auf einen schnellen Wandel, sie werden oft vom Umfeld motiviert oder sind in einem Zwangskontext (Gerichtstermine, Schulverweise etc.) und schaffen es relativ regelmäßig ins Projekt. Nach einigen Wochen, manchmal nach 2-3 Monaten beginnen alte Verhaltensmuster wieder durchzubrechen, die Jugendlichen entziehen sich der Anstrengung, sie zweifeln am langfristigen Erfolg, die Motivation durch das Umfeld weicht einer Ermüdung und Resignation. Durch kontinuierliche Beziehungsarbeit werden die Jugendlichen durch diese Krisen begleitet und im Projekt gehalten. Tägliches, individuelles Aufarbeiten von schulischen Themen zur Vorbereitung auf die externe Nichtschülerprüfung hilft den Jugendlichen, Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit und Prüfungstauglichkeit zu bekommen. Sportliche Einheiten bringen die Jugendlichen wieder in Bewegung; körperliche Belastbarkeit, miteinander trainieren, den Blick für die anderen zu bekommen sind wesentliche Aspekte. Der Sport hilft den Jugendlichen auch über Konzentrationsschwächen und Ermüdungserscheinungen durch schulische Einheiten hinweg. Die Jugendlichen bringen oft verschiedenste Belastungen wie anstehende Gerichtsverfahren, Verschuldung, Sozialstunden etc. mit. Sie sind überfordert mit den Erwartungen ihrer Eigenverantwortung und schaffen es nicht sich darum zu kümmern. Mit unserer Unterstützung werden die Probleme „machbarer“ und die Herausforderungen „schaffbarer“. Abbau der Sozialstunden, Begleitungen zur JGH, Vereinbarung von Terminen, Abbau der Angst vor Ämtern und Formularen sind wesentliche Inhalte der Arbeit. Nach den ersten 6 Monaten ist in der Regel eine Vertrauensbasis geschaffen, auf der die Jugendlichen beginnen, ihre eigenen Ziele wie Schulabschluss und Ausbildungsplatz ernst zunehmen. Sie vertrauen langsam der Einschätzung der Mitarbeiter*Innen und ihren eigenen Gefühlen in dem, was sie schaffen können. Dadurch ist es möglich, eine intensivere Phase der Prüfungsvorbereitung in die Wege zu leiten; mehrstündiger Unterricht, Tests, Vorträge sind möglich und am Ende steht in den meisten Fällen der erfolgreiche Abschluss des BBR oder eBBR. Der Schulabschluss ist oft der erste Baustein in Richtung beruflicher Zukunft. Aus unserer Erfahrung schaffen sie es nicht unmittelbar nach dem Schulabschluss in einer Ausbildung erfolgreich zu bestehen. Zu lange haben die Jugendlichen zuvor strukturlos, unstet und schuldistanziert Jahre verbracht. Oft benötigen sie Zeit, um in einem geschützten Rahmen einen höheren Schulabschluss zu erlangen oder sich langfristig an eine viel rigidere Tagesstruktur, wie sie einer Ausbildung notwendig ist, zu gewöhnen. Gemeinsam suchen wir mit den Jugendlichen nach Ausbildungsformen, die eine weitere Nachreifung zulassen.